Ich bin normal II
Ich bin normal. Ich lese Zeitung,
ich sehe Tagesschau und Quiz,
und diese Medienbegleitung
geht durch mein Fühlen wie ein Riss.
Ich bin normal. Ich finde schaurig,
was täglich in der Welt geschieht.
Der Krieg, die Armut macht mich traurig,
und niemals werd ich abgebrüht.
Ich bin normal. Ich möchte glauben,
dass alles gut wird, irgendwann.
Was andern half, will ich entstauben,
damit es Hoffnung wecken kann.
Als Oma starb, war ich zur Feier
und weinte, weil sie nicht mehr ist,
und fühlte in dem Kultgemäuer,
was man im Tageslicht vergisst.
Wo Menschen sind, sind Religionen.
Das ist normal für unsre Art.
Nur in begrenzten, späten Zonen
ist Gott ein Greis mit langem Bart.
Was aus uns wird, kann niemand wissen,
weil niemand weiß, was wir jetzt sind.
Gewiss ist, dass wir wählen müssen.
Nur wer zu glauben wagt, gewinnt.
Wer auf die Menschen um sich achtet,
obwohl ihm letzte Klarheit fehlt,
wer Apparat und Zahl entmachtet,
der ist es, der zur Mehrheit zählt.
Ich bin normal. Ich such das Ganze
und schaffe mit an Heil und Sinn.
Gott ist ein Lied, nach dem ich tanze,
ein Lichtquell, dem ich Spiegel bin.
© Peter Gerloff