Das Klagelied vom Weinstock
Hör uns, Hirte Israels,
Jakobs Gott, erwache!
Sei uns wieder Schutz und Fels,
führe unsre Sache.
Warum zürnst und zögerst du?
Willst du uns zertreten?
Stopfst du dir die Ohren zu,
wenn wir zu dir beten?
Einen Weinstock hobst du aus,
trugst ihn aus Ägypten,
dem verhassten Sklavenhaus,
deinen Erstgeliebten,
schenktest ihm ein gutes Land,
ihm allein zu Eigen,
und was ihm entgegenstand,
musste sich dir beugen.
Mit Gesetz und Mauerwehr
schütztest du sein Leben.
Von der Wüste bis zum Meer
prangten seine Reben.
Aber dann gabst du ihn preis,
um ihn auszulöschen.
In den stolzen Mauerkreis
schlugst du selbst die Breschen.
Wilde Tiere plündern ihn,
fressen seine Trauben.
Alle, die vorüberziehn,
dringen ein und rauben.
Ewiger, du wolltest dir
einen Stamm verbünden.
Deine Pflanzung, Herr, sind wir.
Rächst du unsre Sünden?
Sei in unsrer Mitte, Gott!
Pflege diesen Garten
und bekehre, die mit Spott
auf sein Ende warten.
Immer wird dann unser Lob
deine Tat bekennen.
„Der uns stürzte und erhob“
werden wir dich nennen.
Gott der Schöpfung, Gott des Eids,
streng ist deine Lehre.
Gott der Liebe, Gott am Kreuz,
dir allein sei Ehre!
© Peter Gerloff