Da ich, begreiflicherweise, immer wieder darauf angesprochen werde, hier ein paar private Ansichten zum priesterlichen Zölibat.

 

Die Ehelosigkeit der Pfarrer ist nach meinem Eindruck eine tragende Säule des katholischen Lebens und Bewusstseins – auch bei denen, die sie gern beseitigen würden. Wer heute katholisch ist und dazu Ja sagt, ist von ehelosen Pfarrergestalten geprägt worden, deren Leben anders gar nicht denkbar gewesen wäre. Stellung und Autorität der Pfarrer und das existenzielle Pathos der Priesterberufung haben zentral mit der Zölibatsverpflichtung zu tun.  

 

Andererseits droht der Priesterzölibat (neben anderen Faktoren) den Nachwuchs an Pfarrern in unseren Breiten derzeit nahezu vollständig abzuschnüren. Für die verbleibenden Priester werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen immer unerträglicher, und die Gemeinden können immer seltener – und müssen mit immer fremderen Vorstehern Eucharistie feiern.

 

Zur Lösung dieses Dilemmas habe ich nichts Originelles beizutragen. Nur ein Hinweis ist mir wichtig, nämlich dass, wer für die Aufhebung des Priesterzölibats eintritt, sich auch nach seiner positiven Perspektive fragen lassen muss, und zwar nicht nur für Priester, sondern für alle Christen. Geschieht das Eintreten für die Priesterehe vor dem Hintergrund einer Bejahung der Ehe? Oder geht parallel zur Option gegen den Zölibat eine Option gegen jede verbindliche Lebensentscheidung und für die unumschränkte Autonomie des jeweiligen Gefühls- und Gewissenszustands?

 

Zur Ehrlichkeit der Zölibatsdiskussion gehört die Einsicht, dass dieselben Faktoren, die heute offenbar gelingendes zölibatäres Leben schwerer machen – gesteigerte unmittelbare Glückserwartung, verminderte Frustrationstoleranz, geschwächte Milieus, geringerer gesellschaftlicher und materieller Außendruck zugunsten der Bindungstreue, sexuelle Reizüberflutung, entsozialisierende Mobilität, um nur einige zu nennen, die auf jeden Zeitgenossen einwirken –, auch gelingendes Ehe- und Familienleben erschweren, für „Laien“ wie, gegebenenfalls, für Priester.

 

Ich mache diesen Hinweis nicht als Moralist. Keiner wird dadurch ehrlicher, treuer, keuscher und liebesfähiger, dass er hohe Ideale hat. Hohe Ideale sind immer auch der Nährboden von Heuchelei und gerade für den, der sie ernst nimmt, eine Quelle von Leiden. Aber diesem Dissonanzleiden durch die Abschaffung der Ideale zu entgehen, ist keine Lösung, jedenfalls keine christliche – und nach meiner Überzeugung auch keine menschliche.

 

Der Zölibat stellt eine Frage, ebenso wie die sakramentale Ehe – genau genommen ein und dieselbe Frage. Die gelebten Antworten sind mehr oder weniger unzureichend und oft genug ein Fall fürs Bußsakrament; aber ohne die Frage würden sie nicht zustande kommen.

Peter Gerloff