Ein Liebesbrief

(nach dem Liebesbrief Gottes;

Ich will dich lieben, meine Stärke“)

 

Gib acht, mein Kind, dies schreibt dein Schöpfer!
Von mir und auf mich hin bist du.
Du bist der Ton und ich der Töpfer,
ich will dich formen, lass es zu.
Ich bin dein Vater, der dich trägt
und mit dir fühlt, was dich bewegt.

Bevor du sprichst, kenn ich dein Denken,
bevor du rufst, hör ich dein Schrei’n.
Mehr als du hoffst, will ich dir schenken;
niemals geb ich statt Broten Stein.
Vor aller Zeit bist du erwählt;
selbst deine Haare sind gezählt.

Sooft du meinst, ich sei verborgen,
von deinen Wegen abgewandt,
folgt auf die Nacht ein Ostermorgen,
und Korn entsprießt dem Wüstensand.
Du legst dich nieder und stehst auf –
ich bin dir nah im Tageslauf.

Kein Menschengeist kann mich begreifen;
das reizt den Stolz zu Hass und Hohn.
Doch auch wer wünscht, mich abzustreifen,
bleibt meine Tochter, bleibt mein Sohn.
Kehr um zu mir und meinem Bund,
dann wird dein ganzes Sein gesund.

„Kommt!“ ruft der Eine, den ich sandte,
mein ewger Sohn, mein Ebenbild.
 „Kommt, Schuldbeladne und Verrannte,

da Heil aus meinen Wunden quillt.

Ich starb am Kreuz und bin erhöht,

damit kein Schaf verloren geht.“

 

Wenn Tränen, Leid und Tod zerrinnen

und die Erlösten auferstehn,

dann wird mein Freudenfest beginnen,

dann darfst auch du mein Antlitz sehn.

Schon jetzt kannst du wie ich verzeihn

und Spiegel meiner Liebe sein.