Eine Pyramide ist kein Dreieck. Sie ist auch kein Produkt von Dreiecken, sondern etwas qualitativ anderes. Trotzdem ist das Dreieck in ihr enthalten – nicht jedoch umgekehrt. Das Dreieck „weiß“ nichts von der atemberaubenden Möglichkeit der Pyramide.

 

Das ist das Geheimnis der Stufenleiter der Dimensionen, über das wir selten nachdenken, obwohl es vor Augen liegt. Je mehr Antworten wir auf unsere Fragen nach dem Weltganzen bekommen, desto deutlicher wird, dass die Stufenleiter der Dimensionen uneinholbar über unser Erkenntnisvermögen hinausreicht.

 

Gott ist in diesem Denkspiel die „Dimension der Dimensionen“. Er hat sie alle irgendwie in sich, keine ist ihm wesensfremd, aber keine definiert ihn.

 

Das gilt etwa für Personalität, die unserer Erfahrung nur als endliches Bewusstsein begegnet. In diesem endlichen Sinn ist Gott nicht „Person“ – aber er hat unsere Persondimension in sich wie die Pyramide das Dreieck, und die Anrede „Du“ hat in Bezug auf ihn mehr Wahrheit als in Bezug auf irgendjemand anderen. Vielleicht darf auch das Geheimnis der Dreifaltigkeit als eine von uns aus unzugängliche höhere – höchste – Personalitätsdimension gedeutet werden.

 

Es gilt für die Zeit. Gottes „Ewigkeit“ ist nicht ein Nicht-Haben von Zeit. Gott hat Zeit in sich wie die Pyramide das Dreieck.

 

Es gilt aber auch für Materie und Leiblichkeit. Wir sind gewohnt, Gott als „reinen Geist“ zu denken, dem alles Materielle nur als Schöpfung gegenübersteht. Angemessener scheint mir, davon auszugehen, dass Gott auch Materie und Leib „hat“, nicht in der endlichen Form unserer Erfahrung, aber so wie die Pyramide das Dreieck.

 

Dann sind sowohl Schöpfung wie Inkarnation (und umgekehrt: leibliche Auferstehung und Himmelfahrt) nicht das Werden von etwas auch für Gott „Neuem“, also ein Geschehen, durch das er mehr wird als er war, sondern Herabsteigen Gottes auf der Stufenleiter der Dimensionen in die Endlichkeit durch freie Selbstbegrenzung – wobei er doch gerade Gott bleibt, der alles integriert: die Liebe.

 

Peter Gerloff